Der im Sacherständigengutachten 2010/2011 vom 03.11.2011 vorgelegte Schuldentilgungspakt zur Lösung der Eurokrise stellt ein geschlossenes Konzept dar, das den Verantwortlichen in der gegenwärtigen Diskussion nur wärmstens ans Herz gelegt werden kann. Das große Interesse, das die Vorschläge bei Econimist, Financial Times, IWF, französischem Sachverständigenrat und Europa-Parlament hervorgerufen haben, kann deren Wichtigkeit nur unterstreichen.
Kernaussage: Wird die unabdingbare fiskalische Disziplin/Konsolidierung öffentlicher Haushalte von Mitgliedsländern im Euroraum nicht erreicht, so fehlt das Vertrauen der Finanzmärkte und der Währungsunion kann nicht geholfen werden.
Der zur Diskussion gestellte Schuldentilgungspakt für die Eurozone-Länder ist ein Modell zum geregelten Abbau der Staatsverschuldung unter die 60 %-Grenze des Mastricht-Vertrags.
1. Modell
- Länder mit Schulden, die den Referenzwert des Maastricht-Vertrags von 60 % BIP übersteigen, haben die Möglichkeit, ihre Neuschulden/Refinanzierung in einem Zeitrahmen von 5 Jahren bis zu einer festgelegten Obergrenze beim Tilgungsfonds auszulagern/zu finanzieren (Roll in Phase).
- Jedes Land haftet für diesen Betrag vorrangig selbst bei nachrangiger gemeinschaftlicher Haftung durch die Mitglieder des Tilgungsfonds.
- Jedes Land verpflichtet sich in einem festgelegten Konsolidierungspfad, seine Schulden beim Fonds über einen Zeitraum von 20 – 25 Jahren – ähnlich wie im Stabilitäts- und Wachstumspakt – eigenverantwortlich zu tilgen.
- Für die verbleibenden Schulden unter 60 % BIP liegen Finanzierung und Haftung allein beim jeweiligen Land.
- Der Fonds vergibt zu seiner Finanzierung Anleihen, die durch die gemeinschaftliche Haftung vom Finanzmarkt als sicher eingestuft und akzeptiert werden. Das europäische Finanzsystem wird stabilisert und die nationalen Anleihemärkte sind wieder funktionstüchtig.
- Der Tilgungsfonds beginnt zu einem festzusetzenden Zeitpunkt mit einem am Finanzierungsbedarf der Euroländer orientierten Finanzrahmen. Er ist einmalig, zeitlich begrenzt und schafft sich über feste Tilgungsverpflichtungen im Zeitablauf selbst ab.
- Bei einem in den folgenden Jahren auflaufenden Anleihen-Bestand von 2.300 Milliarden Euro hätte Italien mit 41 % den größten Anteil am Tilgungsfonds gefolgt von Deutschland (25 %), Frankreich, Belgien, Spanien u.a..
2. Auflagen und Rahmenbedingungen zur strikten fiskalischen Disziplin
- Implementierung einer nationalen Schuldenbremse mit Überprüfung/Sanktionierung durch eine europäische Instanz/Europäischer Rechnungshof. Ziel ist die Begrenzung des strukturellen Haushaltsdefizits auf maximal 0,5 % BIP
- Stopp für gemeinsame Haftung und “Roll-in”, wenn ein Land seinen Konsolidierungs- und Wachstumsverpflichtungen nicht nachkommt
- Absicherung der Zahlungen an den Fonds durch einen Aufschlag auf eine nationale Steuer (MWSt oder Einkommenssteuer), deren Aufkommen nur dem Fonds zufließt
- Alle Teilnehmerländer verpfänden zur Absicherung des Haftungsrisikos/der Verbindlichkeiten einen Teil ihrer nationalen Währungsreserven beispielsweise in Höhe von 20 % des Fonds-Anleihevolumens
- Risikobeschränkung eines von der gemeinsamen Haftung in Anspruch genommenen Landes durch Lastenausgleich mit solventen Ländern
- Einführung eines Währungskommissars mit Entscheidungskompetenzen analog zum Wettbewerbsrecht zur Steuerung im exzessiven Defizitverfahren
- NB: Im Anschluß an den Schuldentilgungsplan werden Vorschläge zur Stabilisierung der Finanzinstitute im Euro-Raum unterbreitet.
2. Prinzipien
- Der Tilgungspakt schafft mit der Zusammenstellung des Gesamt-Schuldenstands der Euro-Mitgliedsländer aufgeteilt nach unterschiedlichen Kriterien die solide Zahlenbasis für Entscheidungen und Kontrolle
- Die Schuldentilgung geschieht grundsätzlich durch das Schuldenland (ein Schuldenschnitt wie bei Griechenland ist die Ausnahme)
- Die Haftung bis 60 % BIP liegt beim Schuldenland, darüber gilt die nachrangige Haftung durch die Euro-Mitgliedsländer
- Der Tilgungsfonds finanziert sich durch gemeinsam abgesicherte Anleihen. Die nationalen Finanzmärkte sind wieder funktionstüchtig
- Der Schuldentilgungspakt beinhaltet vereinbarte und kontrollierte Auflagen und Rahmenbedingungen (Konsolidierungspfad, Schuldenbremse, Sanktionen bei Verstößen u.a.).
3. Schlußbetrachtung
Der Schuldentilgungsfonds ist ein Grobkonzept. Die praktische Umsetzung bedarf vieler Ergänzungen im Detail. Hinsichtlich der Fähigkeit zur Schuldenrückzahlung bleiben wesentliche Fragen offen wie Berücksichtigung der Wirtschaftsstruktur oder der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Sektors des jeweiligen Landes. So hat beispielsweise Deutschland mit – auch nicht kritiklos hinnehmbaren – 25 % den zweithöchsten Anteil am Tilgungsfonds, eine geregelte Bedienung der Schulden wird jedoch aufgrund der Wirtschaftskraft vom Finanzmarkt – noch -nicht angezweifelt. Am anderen Ende steht Griechenland, dessen öffentlicher Sektor laut jüngstem OECD-Bericht “nicht reformierbar” ist.
Der Schuldentilgungspakt muss mithin durch eine effiziente und kontrollierte Wirtschaftsförderung einzelner Länder ergänzt werden. Die hierzu für die Förderperiode 2007 – 2013 eingerichteten drei europäischen Struktur-Fonds (Volumen: 308 Milliarden Euro) mit den Zielen Konvergenz, regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung sowie territoriale Zusammenarbeit müssen wie oben dargestellt strikten Regeln/Effizienkriterien und zentraler Kontrolle unterworfen werden.
Die Vorschläge des Schuldentilgungspakts im Euro-Raum betreffen die “Reparatur” des tausende Milliarden schweren Schadens, der durch die Schuldenpolitik einiger Länder im Euro-Raum entstanden ist und der EU/Euroland im globalen Wettbewerb um Jahre zurückwirft. Das Fehlen vieler Elemente des Schuldentilgungspaktes, vor allem Vorschläge zur Fiskaldisziplin und -Kontrolle, begründen den “Geburtsfehlers” beim Euro-Start (Bargeld) im Januar 2002.
Es ist die Tragik des einzigartigen Einigungswerkes ” Europa”, dass mit der Einführung des Euro – geplant als verstärkendes Bindeglied – Ländern des Euro-Raums in Verbindung mit den Finanzmärkten Haushaltsdefizite ermöglicht wurden, die jetzt die EU/Euro-Zone gefährden. Das Desaster wäre vermeidbar gewesen mit einem zielführenden Masterplan, einer professionellen Organisation/Aufgabenaufteilung/Kontrolle und Akteuren mit der Befähigung zur Bewältigung der gestellten Aufgabe. Das konzeptionelle Potential war, wie der vorliegende Schuldentilgungspakt zeigt, sicher schon vor 10 Jahren vorhanden und nutzbar.
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