Europa-Meister wird, wer mentale und fußballerische Leistung besonders auf dem Punkt der KO-Spiele der Europameisterschaft abrufen kann. Gute Leistungen in früheren Spielen treten dann in den Hintergrund. Auch Philipp Lahm äußerte sich nach dem verlorenen Spiel gegen Italien ähnlich. Warum hat er sein eigenes Leistungspotential nicht abgerufen?
Nach der Spieler-Benotung (HB, 23. und 29.06.2012) wurde im Griechenland-Spiel ein Durchschnittswert über alle Spieler von 2,9 und im Italien-Spiel von 4,1 ermittelt:
- Im Italien-Spiel erhalten Lahm, Schweinsteiger, Podolski und Gomez eine 5
- Hummels, Badstuber, Boateng, Khedira, Kroos und Klose eine 4 bzw. 4,5
- 9 Spieler erhielten im Griechenland-Spiel eine 3 und besser, im Italien-Spiel nur 3 Spieler
- Gute Noten erhielten in beiden Spielen nur Neuer und Reuss
- Spieler wie Lahm, Hummels, Badstuber, Khedira und Özil verschlechterten sich im Italien-Spiel um 2 Noten und mehr
- Schweinsteiger erhielt in beiden Spielen eine 5.
Die Noten machen deutlich: es passte beim Italien-Spiel vieles nicht zusammen. Und: wie hätte das italienische Team ausgesehen bei einer deutschen Mannschaftsleistung auf Griechenland-Niveau? Nach Lahm ist ein Spiel gegen die Italiener bei einem Stand von 0:2 am Ende der ersten Halbzeit nicht mehr zu drehen? In welcher Verfassung bestritt der Mannschaftskapitän – und vielleicht andere – das Halbfinalespiel?
Jogi Löw praktizierte in den Vorspielen diverse unkonventionelle Mannschafts- und Taktik-Wechsel, die alle gut gingen. Und mit dem Griechenland-Spiel war dann ein Punkt erreicht, wo man sagen konnte: jetzt steht das Erfolgsteam für die KO-Runde (Klose zum Griechenland-Spiel: heute haben wir Fußball gespielt).
Und dennoch erneute Spieler-und Positions-Wechsel, Änderung des Spielsystems, taktische Vorgaben wie Spiel durch die Mitte, Tempoverschleppung: der vormals praktizierte Gruppenrhythmus war zerstört, es herrschte allgemeine Verwirrung, bereits gesehene Fähigkeiten einzelner Spieler waren ausgehebelt, das Team fand nicht mehr zusammen.
Hätte man die Spieler – vielleicht mit ein paar anderen Spielern – ohne kopfgesteuerte Taktik frei laufen lassen, wäre es vielleicht ein schönes und erfolgreiches Fußballspiel geworden?
Die Italiener gingen in die Partie voller Empathie und Siegeswille, sie sangen zu Beginn ihre Nationalhymne aus voller Brust. Die deutschen Spieler wirkten verhalten. Hatte sich eine Skepsis in den eigenen Erfolg bereits vor dem Spiel breit gemacht?
In der KO-Runde gibt es immer einen Verlierer. Die italienische Mannschaft präsentierte sich als ein sehr effizientes und leistungsstarkes Team, gegen das man verlieren kann. Die Enttäuschung auf deutscher Seite war vielleicht deshalb so groß, weil man eine viel engagiertere und stärkere deutsche Mannschaft in Erinnerung hatte.
Die Stellschrauben waren überdreht?
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