Cameron’s EU-Perspektiven für Großbritannien: Referendum für “Rein-oder-raus”

Premierminister Cameron sucht mit seiner gestrigen Rede den Befreiungsschlag in der ambivalenten britischen Haltung zur EU und im Versuch, die über 70 Euro-kritischen Abgeordneten seiner Partei im Parlament hinter sich zu bringen. Er sagt:

  • Es ist Zeit die Frage zwischen Großbritannien und der EU zu lösen.
  • Die EU muss sich grundlegend reformieren. Sie muss flexibler, demokratischer und wettbewerbsfähiger werden.
  • Kompetenzen müssen von Brüssel in die Mitgliedstaaten zurückverlegt werden können.
  • Nach seiner Wiederwahl 2015 will Cameron die Bedingungen für die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens neu verhandeln und bei Erfolg in einem “Rein-oder-raus-Referendum” spätestens bis 2017 darüber abstimmen lassen.
  • Cameron will für den Verbleib Großbritanniens in der EU “mit Herz und Seele” kämpfen.

Es ist folgerichtig, wenn die Rede Camerons im Kontext gesehen wird mit der in den letzten Jahren durch Großbritannien praktizierten EU-Mitgliedschaft “unter Vorbehalt” und erstrittenen Sonderregelungen zum eigenen finanziellen Vorteil. Beschämend  ist vor allem im Hinblick auf die vielen kleineren loyalen EU-Mitgliedsländer mit teilweise existentiellen Problemen, wenn gemäß Camerons Rede dieses wirtschaftlich drittstärkste EU-Land eine weitergehende EU-Sonderbehandlung einfordert.

Großbritannien hat in den zurückliegenden Jahrhunderten anders und besser als andere kontinentale Mächte durch geschickte und erfolgreiche Adaption zukünftiger politischer Prozesse eine erfolgreiche und demokratische Entwicklung hin zu einem weltumspannenden Imperium zurückgelegt. Es wäre denkbar, dass dieses Erfolgsmodell auch heute noch die Köpfe mancher konservativer Politiker – die Sozialisten sind EU-Befürworter – für eine konstruktive EU-Politik blockiert.

Man muß David Cameron fragen, welches wirtschaftliche Integrationsmodell ihm für Großbritannien vorschwebt: wirtschaftlicher Einzelkämpfer oder integrales Mitglied eines EU-Wirtschaftsraumes nach dem Muster der USA oder China’s.

EU/Euroland “braucht” Großbritannien nicht für die weitere Entwicklung. Andererseits wäre Großbritannien eine günstige Option für die EU, wenn Geben und Nehmen, Sonderregelung und Sondereinbringung (internationaler Status, Verbindungen, Sprache u.a.) im Einklang stehen. Die notwendige wirtschaftliche Gesundung Großbritanniens (Umkehr der Deindustrialisierung, Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, nachhaltiges Modell für die Londoner City u.a.) könnte dann in gemeinsamer Anstrengung umgesetzt werden.

David Cameron wollte mit seiner Rede das nervige Thema “EU” vom Tisch fegen. Wenn die EU nach eigener Aussage seine Herzensangelegenheit ist, ist es der Tragweite der Entscheidung angemessen, seine eigene politische Person in die Waagschale zu legen: entweder die politische Ausrichtung Großbritanniens ist – gemäß Parlamentsbeschluss oder Referendum – pro Europa ausgerichtet oder ich demissioniere.

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