“Sichere” Häfen für Steuerhinterziehung und Devisenflucht: die Schweiz und andere Länder?

1. Immer neue CD’s mit Informationen über schweizer Schwarzgeldkonten deutscher Steuerhinterzieher (Privatpersonen, Stiftungen, Unternehmen) sind im Umlauf und werden nach Prüfung speziell von nordrheinwestfälischen Finanzbehörden aufgekauft. Zuletzt waren es 4 CD’s angeblich für einen Preis von 9 Mio. € (Info SZ)? Die CD’s sollen tausende Steuerhinterzieher bestreffen, darunter einzelne mit einem ausgelagerten Vermögen in bis zu zweitstelliger Millionenhöhe. Hierfür wäre eine Bewährungsstrafe überlicherweise nicht mehr möglich.

Neben NRW praktizieren vor allem die SPD-geführten Bundesländer den Kauf solcher Datenträger. Diese Bundesländer sind auch gegen die Ratifizierung des mit der Schweiz ausgehandelten Steuerabkommens wegen weiter bestehender Anonymität und Intransparenz sowie großer Steuer-Schlupflöscher. Das Bundesfinanzministerium ist gegen den Kauf (Gesetzesverstoß mit einem Gesetzesverstoß ahnden?) und verweist “auf den umfassenden Ansatz” im Steuerabkommen-Entwurf: anders als in der weiter gehenden Vereinbarung mit den USA anonyme Nachversteuerung des Schwarzgeldes mit einem Steuersatz zwischen 21 – 41 %, jährliche Zinsbesteuerung wie im Inland.

2. Die Schweiz erlebt besonders seit der Euro-Schuldenkrise Devisenzuflüsse, die im Interesse der eigenen Exportwirtschaft massive Stützungskäufe der Schweizer Notenbank zugunsten des Schweizer Franken (Interventionspunkt 1,20 Franken) notwendig machen. Die Devisenreserven betragen mit Stand Juli 2012 406 Milliarden Franken, der Zuwachs allein im Juli betrug 40 Milliarden Franken, die Devisenbestands-Quote erreicht mit 68 % vom BIP Weltrekord noch vor China und Japan. Absender dieser Gelder sind Private, Untenehmen und Kapitalsammelstellen zuletzt verstärkt aus den Krisenländern Spanien und Italien, die den Zusammenbruch der Euro-Währung, den Staatsbankrott sowie Steuer- und Sparmaßnahmen in ihren Ländern befürchten.

3. Die “sicheren” Häfen Schweiz und anderer Länder machen die Legalisierung der Steuerhinterziehung möglich. Die weitaus größte “ehrliche” Mehrheit der Steuerzahler (90 % und mehr?) zahlen mit ihrer Einkommenssteuer, Mehrwertsteuer, Verbrauchsteuern u.a. den Steuerbetrug c.p. mit und  und verlieren das Vertrauen in Staat und Politik. Der volkswirtschaftliche Substandzverlust für das betroffene Land ist hoch.

Devisenflucht-Gelder in “sichere” Häfen können Ausdruck für fehlendes Vertrauen in die eigene Volkswirtschaft sein. Insofern sind die für das fehlende Vertrauen Verantwortlichen Auslöser für Divesenflucht und tragen eine Mitschuld. Devisenflucht bedeutet das Fehlen dieser Gelder im heimischen Wirtschaftskreislauf, sie wirkt Krisen verschärfend und ist – je nach Ausmaß – eine existenzgefährdende Störgröße.

4. “Sicherer” Häfen wie die Schweiz und andere existieren vor allem aus Gründen der Staatseinnahmen-Beschaffung. Die Schweiz beispielsweise soll 15 % ihres BIP aus Geld-, Devisen-und Steuersatz-Geschäften mit Ausländern erwirtschaften, in einzelnen Kantonen liegt die Quote noch darüber.

Die deutschen Steuerausfälle aus Steuerhinterziehung werden auf 10 – 15 Milliarden Euro (Berechnung Universität Linz) angesetzt. Devisenflucht als volkswirtschaftliche Störgröße richtet vor allem wegen ihrem großen Volumen vielfältigen Schaden an. Die Einnahmen-Ausfälle aus Steuersatz-Geschäften (Körperschaftssteuern u.a.) übertreffen vermutlich noch den Betrag aus Steuerhinterziehung.

5. Im Herzen Europas bilden die Schweiz und andere Länder “sichere” Häfen, die durch Maßnahmen von EU-Ländern und USA ihre “Sicherheit” zunehmend einbüßen. Die Karavane zieht deshalb in Richtung Asien weiter, etwa nach Singapur, Malaysia (islamisiches Wirtschaftsrecht), Bangkok, Hongkong und Schanghai. Berater und sogar frühere Fluchtbanken sollen hierbei Beihilfe leisten. Die Risiken des Geldtransfers der in fremde Wirtschaftsregionen verschobenen Gelder und die spätere Rückführung in den legalen Kreislauf dürften den “Nutzen” dieser Aktionen zunehmend schmälern.

6. “Sichere” Häfen und Steuerhinterzieher/Devisenflüchtlinge/Steuersatzgefälle-Nutzer brauchen einander zur Verfolgung ihrer jeweiligen finanziellen Einnahmen-Ziele. Wie können diese Aktivitäten im Interesse der geschädigten Volkswirtschaften unterbunden werden? Moralische Appelle werden ohne Erfolg bleiben. Damit liegt der Ball im Feld der “sicheren” Häfen, letztlich bei der Frage ihrer Existenz überhaupt: ohne sicherer Hafen keine Steuerhinterziehung/Devisenflucht/Steuersatzgefälle-Nutzer?

Die Bastionen wie Bankgeheimnis, freier Kapitalverkehr und freie Standortwahl zum Schaden anderer Volkswirtschaften werden in heutiger Zeit aus vielerlei Gründen (hoher Informationsstand und Transparenz, gesellschaftliches Bewußtsein, globale Abwehr schädigender Einflüsse), neuen Regelungen weichen. Auf diese nicht aufzuhalten Entwicklung vorab durch Aufgabe ihres “Geschäftsmodells” zu reagieren, bewahrt “sichere” Häfen vor dem Verlust ihrer politischen Reputation. Stehen die “sicheren” Häfen vor der Frage, alternative Staatseinnahmen-Quellen suchen zu müssen?

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