Junker’s Warnung vor dem Zerfall der Euro-Zone: der Fluch der bösen Tat

Der Chef der Euro-Zone, Jean-Claude Junker, sagt in einem SZ-Interview, die Welt rede darüber, ob es den Euro in einigen Monaten noch gibt. Als Grund nennt er u.a. deutsche Politiker, die mit populistischen Euro-kritischen Äußerungen Innenpolitik machen und nationale Ressentiments aufkommen lassen. Für Juncker ist der Austritt Griechenland keine Arbeitshypothese. Die Euro-Länder müßten mit allen Mitteln ihre feste Entschlossheit zeigen, die Finanzstabilität der Währungsgemeinschaft zu garantieren.

Mit der Rückkehr der Troika aus Athen stünden wichtigen Entscheidungen an. Als weiteres finanzpolitisches Thema mit beruhigender Signalwirkung für die Märkte steht der Ankauf von – zunächst spanischen – Staatsanleihen durch den ESFM mit Hilfe der EZB an. Dabei werden die diesbezüglichen Beschlüsse des letzten Euro-Gipfels von den teilnehmenden Staaten noch unterschiedlich ausgelegt?

Juncker gibt seine Warnung zu einem Zeitpunkt, da ein Teil der Euro-Länder und ein Teil der Banken durch überdimensionierte Schulden mit dem Rücken zur Wand stehen und den ganzen Euro-Raum existenziell gefähren. Jede vernünftige Relation überschreitende Haushaltsdefizite und eine liberalisierte Bankenpolitik mit immer neuen hochspekulativen Produkten haben zu dieser Situation geführt. Auf den verschiedensten Ebenen fehlten die Regelungen, existierte eine unzureichende und unprofessionelle Organisationsstruktur, fehlte die Kontrolle und Qualifikation der Akteure. Die Gründung einer Europäischen Union und – noch detailreicher – Gründung einer Euro-Währungsunion sind globale singuläre Großprojekte, vergleichbar mit der Industrialisierung Chinas nach dem Systemwechsel. Hier hätte ein erfolgversprechender Masterplan erarbeitet, von Experten abgeklopft, in der Realisierungsphase immer wieder aktualisiert und verbessert werden müssen. Die Industrialisierung Chinas ist bis dato in vieler Hinischt ein Erfolgsmodell, die Euro-Währungsunion steht vor einem Desaster:

1. Es ist paradox: Die Euro-Währungsunion hat mit unzureichender Regulierung und Kontrolle die hohen Schuldenstände in einigen Ländern über eine unterstellte Haftungsgemeinschaft mit Hilfe von Ratingagenturen und anderen erst ermöglicht. So konnten einige Billionen Euro kreditfinanziert in hohem Maße konsumtiv verbraucht werden.

2. Der durch die Kreditfinanzierung ermöglichte hohe Konsum schaffte für ganz Länder die paradiesische Illusion eines hohen Konsumlevels ohne Leistungserbringung. Investitionen in eine leistungsfähige Wirtschaft – auch kreditfinanziert – erschienen nicht erforderlich und unterblieben.

3. Bei den betroffenen Ländern werden Mittel für die Schulden-Rückzahlung sowie Mittel für den industriellen Aufbau und Sturkturverbesserung gleichzeitig benötigt. Mittel für die Schulden-Rückzahlung werden teilweise über Sparen erzielt mit restriktiven Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung eines Landes. Gleichzeitig werden Mittel benötigt für die Verbesserung der Industriestruktur. Welcher Kapitalgeber soll den doppelten Geldbedarf finanzieren und welchen Risikoaufschlag wird er verlangen, wenn er länderabhängig wenig Vertrauen in die Restrukturierungsfähigkeit eines Landes hat? Mit länderübergreifenden Haftungsvereinbarungen könnte die Dringlichkeit von notwenigen strukturellen Veränderung sogar noch abgesenkt werden.

Mit der Gründung der Euro-Währungsunion wurde – blauäugig – ein Megaprojekt gestartet ohne ausreichende strukturelle Voraussetzungen und operative Professionalität auf vielen Ebenen. Die späte Erkenntnis des Jahres 2012 ist: Im Ergebnis sind Billionen Euro überwiegend komsumtiv “verbrannt” und 10 Jahre und mehr europäischer Wirtschaftsaufbau und Wirtschaftsraum – das letztlich wichtigtes Argument für ein Zusammengehen in Europa – verspielt. Dieser finanzielle Aderlaß, die verlorenen Jahre und die damit verbundene Schwächung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Europas werden die aufstrebenden Wirtschaftsmächte als willkommenes Geschenk zu beschleinigtem Wachstum nutzen.

Junckers leitet die Euro-Gruppe seit 2005. Der Euro hat unter anderer Regie bereits mit Geburtsfehlern das Licht der Welt erblickt. Professionelles Mangement von Junckers hätte bedeutet, seinen Job in 2005 bereits mit einem Warnruf zu beginnen. Es hilft nicht mehr die Methode des guten Zuredens und Schulterklopfens auf höchster Ebene. Junckers sagt richtig, dass sein Job in Zukunft hauptamtlich ausgeführt werden sollte mit den erforderlichen Kompetenzen in den europäischen Organen, ergänzt durch einen europäischen Finanzminister mit definierter Weisungsbefugniss für nationale Haushalte.

Statt dessen rangelt Paris und Berlin um “seinen” Kandidaten für die Junckers-Nachfolge und nicht um den befähigsten und mit hinreichenden Kompetenzen ausgestatten besten Mann im besten (Industrie-Manager)-Alter von + 50 Jahren? Als wenn im Hinblick auf den dringlichen Aufbau des Wirtschaftsgroßraums Europa noch irgendein nationaler Strauß zu gewinnen wäre?

Die Zeit der unprofessionellen Ignoranz gegenüber rationalen Argumenten läuft ab. Muß es noch mehr weh tun, bis etwas geschieht? Es gibt da noch eine rationale Alternative: das Projekt Europa lassen, bis die Vorraussetzungen für ein erfolgversprechendes Europa gegeben sind. Bis dahin können die Länder über den Aufbau entsprechender Leistungsprofile dokumentieren, ob sie dabei sein wollen oder nicht?

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