Bei der aktuell guten Beschäftigungslage werden Länderwahlen stark von regionalen Themen und den sie repräsentierenden Personen bestimmt. Die 3 Länderwahlen vom 13.03.2016 wurden darüber hinaus von überregionalen Themen wie EU-Verdrossenheit, TTIP-Skepsis, ein seit September chaotisch verlaufener großer Flüchtlingszustrom und ein seit den kölner Silversterübergriffen manifest gewordenes Gefühl der Unsicherheit bestimmt. Die 3 Länderwahlen haben frühere Nichtwähler mobilisiert und führten zu einer hohen Wahlbeteiligung von bis zu 70 %.
Herausragend sind die Ergebnisse der beiden Persönlichkeitswahlen mit den Siegern Winfried Kretschmann/Grüne (30,3 %) in Baden-Württemberg (BW) und Malu Dreyer/SPD (36,2 %) in Rheinland Pfalz (RPf). Beide Kandidaten sind Identifikationsfiguren für lokale Themen und werden als autentisch wahrgenommen. Ihre flüchtlingsnahe Position zur Bundeskanzlerin haben ihren Sieg nicht gefährdet. Die CDU-Gegenspieler Wolf und Klöckner waren mit ihrem Profil in der Wählergunst unterlegen. Die Ergebnisse in den beiden anderen Bundesländern für die Parteien Grüne (rückläufig und einstellig) und SPD (desaströs rückläufig) spiegeln das Fehlen des Persönlickkeitsfaktors. Die CDU mit Reiner Haseloff konnte in Sachsen-Anhalt (SA) ihr Ergebnis mit 29,8 % und geringen Verlusten noch relativ gut halten.
Ebenso herausragend sind die aus dem Stand erzielten Ergebnisse für die AfD in Baden-Württemberg (15,1 %), Rheinland-Pfalz (12,6 %) und vor allem Sachsen-Anhalt (24,2 %). Die AfD hat aus der Postion einer EU-kritischen rechtsnationalen Protestpartei mit der programmatischen Erweiterung gegen die Flüchtlingspolitik der offenen Grenzen der Koalitionsregierung (“Merkel muß weg”) sowie der Besetzung sozialer Themen ihre Wählerschaft bis zur bürgerlichen Mitte ausgedehnt. Die Wählerklientel der AfD in Sachsen-Anhalt bilden die Neuwähler mit 40 % Anteil (überwiegend jüngere bis mittlere Altersgruppen) gefolgt von ehemaligen Wählern von CDU und Linken (jeweils 17 %) sowie NPD (11 %) und SPD (10 %). In Sachsen-Anhalt ist die AfD zweitstärkste Partei hinter der CDU. Die AfD sieht sich als Partei für Wähler, die sich von den bisherigen bürgerlichen Parteien nicht mehr vertreten fühlen. Mit dieser Zielsetzung strebt sie 2017 in den Bundestag.
Der CDU-Anteil liegt in allen drei Bundesländern bei ca. 30 % (BW: 27,0 %; RP 31,8 %; SA 29,8 %). Die Verluste sind im ehemaligen Stammland BW stark (- 12 %), in RPf (- 3,4 %) und SA (- 2,8 %) mäßig. Die hohen Verluste in BW gehen auf das Konto der grünen Kretschmann-Partei. Alle Länder zeigen ein Abwandern von CDU-Wählern an die AfD.
Schockierend ist das desaströse Abschneiden der SPD in Baden-Württemberg (12,7 %) und Sachsen-Anhalt (10,6 %) mit einer Halbierung der Anteile gegenüber der letzten Wahl. Ohne den Malu-Dreyer-Faktor dürte das Abschneiden der SPD in Rheinland-Pfalz unter 20 % liegen. In den Ländern BW und SA ist für die SPD der Status einer Volkspartei gefährdet.
Mit knapp 3 % sind die Linken in den Landtagen von BW und RPf mit traditionell schwachen Werten nicht vertreten. Bei der ehemaligen Linken-Hochburg SA sind die Werte deutlich eingebrochen (16,3 % nach 23,7 %).
Die FDP geht aus der Wahl in BW gestärkt (8,3 % nach 5,3 %) hervor, in RPf ist sie wieder im Landtag und in SA hat sie mit 4,9 % den Eintritt in den Landtag knapp verfehlt. Die FDP kann eine kleine Wiederauferstehung feiern.
Das Ergebnis der drei Länderwahlen brachte starke Umbrüche in der Parteienlandschaft. Alle drei Ministerpräsidenten müssen sich neue Koalitionspartner suchen. Traditionelle Koalitionsmuster wie Schwarz/Gelb und Rot/Grün sind durch das Erstarken der AfD nicht mehr möglich. Alte Wählerbindungen beispeilsweise nach Religion, Gewerkschaftszugehörigkeit oder Familientradition gelten nicht mehr.
Wenn Sigmar Gabriel im ZDF-Interview sagt, so weiter machen zu wollen wie bisher, scheint er das Signal der Wahlen in BW und SA mit Halbierung der SPD-Ergebnisse nicht wahrhaben zu wollen. Gerade bei der SPD als Juniorpartner der großen Koalition besteht die Gefahr, im Parteiprofil bis zur Unkenntlichkeit glatt geschliffen zu werden. Wenn ein SPD-Wähler im gleichen ZDF-Interview sich zur AfD-Wahl bekennt, weil er sich durch die SPD in ihrer ständigen Pflicht zum Kompromiß nicht mehr vertreten fühlt, kann das “weiter so” die “noch Volkspartei” in die Existenzfrage treiben.
Seehofer sagt es, die ausländische Presse sagt es, die EU-Partner vermitteln es durch ihr Handeln und in mehreren Artikeln dieses Blogs ist dargelegt, dass die im September 2015 durch Bundeskanzlerin Merkel proklamierte und bisher nicht expliziert zurückgezogene Flüchtlingspolitik der offenen Grenzen ein Fehler ist. Merkel räumt ein, dass die negativen Wahlergebnisse stark beeinflußt wurden durch die chaotische Flüchtlingspolitik und wirbt um Geduld für die angestrebte politische Lösung mit EU und der Türkei. Fakt ist, das nur die Maßnahmen der Westbalkanstaaten mit der Bedingung eines Grenzübertritts mit Pass und Visum zur spürbaren Reduzierung des Flüchtlingszustroms führten. Die Merkel’sche Flüchtlingspolitik ist mit verantwortlich für die Wahlergebnisse und ihre Umbrüche. Die Atempause für Merkel bis zum EU-Gipfel am 17.03.2016 ist kurz.
Modernisierung- und Gloabalisierungs-Ängste verunsicherter Wähler sowie das Gefühl, aus dem Raster der bürgerlichen Parteien herausgefallen zu sein, verschafften der AfD bei den drei Länderwahlen zweistellige Ergebnisse. Bei einer Vielzahl von Wahlkreisen in SA konnte die AfD die Direktmandate stellen bzw. hohe zweistellige Ergebnisse erzielen. Die Parteien der politischen Mitte sind aufgefordert, vor Ort die politische Auseinandersetzung zu suchen und die Wähler für sich zu mobilisieren. Das Ergebnis dieser politischen Auseinandersetzung entscheidet über den zukünftigen Erfolg oder Niedergang der AfD. Das “weiter so” von Sigmar Gabriel und das Festhalten von Merkel an einer bis dato erfolglosen Flüchlingspolitik wird die Etablierung der AfD beflügeln.
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